Detmold. Er nannte sich selbst „Führerscheinkönig“ und versprach Kunden ohne Fahrerlaubnis neue Papiere. Doch der Fall landete vor Gericht.

Als selbst ernannter „Führerscheinkönig“ hat ein 51-jähriger Mann mit einer aus seiner Sicht wohl spitzfindigen Idee geworben: Er wollte Verkehrssündern neue Papiere besorgen. Er versprach: Wer seinen Führerschein verloren hat, könne mit seiner Hilfe einen neuen Führerschein aus Großbritannien bekommen und könne wieder über deutsche Straßen fahren.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem Mann nun aber vor, Kunden betrogen zu haben. Denn der Dienst habe so nie funktionieren können. Am Mittwoch hat der Prozess gegen den Angeklagten nun begonnen.

Nach Ansicht der Staatsanwaltschaft aber wussten der „Führerscheinkönig“ und seine Ehefrau (44), dass der Führerscheintausch in England aussichtslos sein würde. „165 Tage Wohnsitz in England sind Voraussetzung.

Sie haben den Antragstellern erzählt, dass die Behörden in England das nicht so ernst nehmen würden“, sagt Staatsanwalt Kristoffer Mergelmeyer am Mittwoch zum Prozessauftakt. Außerdem hätte auf einer Internetseite der Firma gestanden, dass ein Wohnsitz in der EU ausreiche, um in England einen neuen Führerschein zu bekommen. Der hätte aber in Großbritannien sein müssen, erklärt die Staatsanwaltschaft.

Prozess um „Führerscheinkönig“: Staatsanwälte verlesen rund 700 Geschädigte

Wer in Deutschland seinen Führerschein nach einer Alkoholfahrt oder wiederholter Rasereien verliert, kann unter bestimmten Voraussetzungen auf das EU-Ausland ausweichen. Allerdings hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) dem sehr enge Grenzen gesetzt.

Fast zwei Stunden hatten die beiden Staatsanwälte die Namen und die Wohnorte der Geschädigten vor. Es sind rund 700. Den Zuhörern im Landgericht Detmold kommt es am Mittwoch am ersten Prozesstag vor, wie ein Ritt über die Landkarte Deutschlands. Die Opfer kommen aus Berlin, eine Frau Dr. aus Jena, andere aus Cuxhaven, Darmstadt, Meschede, Kamen, Castrop-Rauxel, Fulda und München. Ein Geschädigter stammt aus der Schweiz.

Sie alle vereint: Sie haben dem selbsternannten „Führerscheinkönig“ von Detmold mindestens 1200 Euro überwiesen. Die erste Rate über 600 Euro war für Informationsmaterial, der Rest sollte für Prüfen, Übersetzen und das Verschicken nach England sein. Von dort sollte ein neuer EU-Führerschein als Ersatz für in Deutschland von den Behörden entzogene Fahrerlaubnisse kommen.

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    Das sei gewerbsmäßiger Betrug. Hinzu kommt laut Anklage noch Steuerhinterziehung. Das Paar hatte in Tschechien ein Büro eröffnet. Nach Meinung der Ermittler nur, um in Deutschland keine Umsatzsteuer abführen zu müssen. Neben den beiden Staatsanwälten saßen daher auch zwei Steuerfahnder des Finanzamtes Bielefeld.

    Der angeklagte „Führerscheinkönig“ gibt Interviews im Gericht

    Der Angeklagte Rolf H. zeigt sich gelassen. Bereits vor dem Prozessstart gibt er auf dem Gerichtsflur Interviews, bestreitet Betrug und Steuerhinterziehung. Bei der für die Staatsanwaltschaft mühsamen Anklageverlesung plaudert er ständig auf der Anklagebank, grinst in Richtung der Zuschauer und tauscht Zettel mit seiner Frau aus, die ebenfalls von zwei Verteidigern umrahmt wird.

    Dem Staatsanwalt platzt irgendwann der Kragen: „Wenn ich das hier schon vorlese, dann hören Sie gefälligst zu“, sagt Mergelmeyer. Gericht und Staatsanwaltschaft hatten zuvor vorgeschlagen, bei der Verlesung der Anklage auf die Details zu den Opfern zu verzichten. Das hatte die Verteidigung abgelehnt. Der Staatsanwaltschaft blieb nichts anderes übrig, als mehrere 100 Namen, Adressen und die Schadenshöhe einzeln vorzulesen. Bei dem eintönigen Job lösten sich zwei Staatsanwälte über fast zwei Stunden dann immer wieder ab.

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      Der Gesamtschaden durch Betrug und Steuerhinterziehung liegt laut Anklage bei rund einer Million Euro. Im Prozess wollen sich die beiden Angeklagten zum Auftakt nicht äußern. Dies könne sich aber ändern, teilen die Verteidiger mit.

      Der Verteidiger der Ehefrau deutet die Verteidigungslinie an: „Die Firmen des Paares haben Leistungen erbracht“, sagt Rechtsanwalt Detlev Binder. Von daher sei der Vorwurf der Anklage, der sich auf den Zeitraum von 2012 bis 2019 bezieht, schwierig. „Es gab damals ein Urteil. Von daher konnte man die Leute nicht täuschen, die Leute wussten, was sie erwerben“, sagt der Verteidiger.

      Bis Mai hat das Gericht 40 Verhandlungstermine festgelegt. So richtig ins Rollen kommt der Prozess wohl erst im neuen Jahr. Im Januar sollen die ersten Opfer als Zeugen vernommen werden.

      Die Gründe, warum einige der geschädigten ihrer Führerscheine verloren haben, dürften vielfältig sein. Was viele nicht wissen: Wer betrunken E-Scooter fährt, kann seinen Führerschein verlieren. Auch Falschparker sollen in Zukunft Punkte in Flensburg bekommen. (dpa/ac)