Viola Priesemann, Forscherin am Max-Planck-Institut, war klar dafür: „Bei einem kurzen, harten Lockdown ab 14. Dezember ist ein R-Wert von 0,7 zu Silvester durchaus realistisch“, sagte sie bei „Markus Lanz“. Dafür müssten alle Bereiche heruntergefahren werden, empfahl sie. Auch die Arbeitgeber sollten, soweit möglich, bis 10. Januar ihre Beschäftigten ins Home-Office schicken.
„Markus Lanz“: Das waren die Gäste
- Markus Söder, Ministerpräsident Bayern (CSU)
- Robin Alexander, Journalist „Die Welt“
- Dr. Viola Priesemann, Mitglied des Expertenteams der Nationalakademie Leopoldina.
- Ties Rabe, Hamburger Schulsenator (SPD)
- Stefan Genth, Verwaltungswirt
Als Expertin der Nationalakademie Leopoldina modellierte Priesemann anhand der aktuellen Infektionszahlen die zu erwartende Entwicklung. Die Grafik, die sie bei „Markus Lanz“ vorlegte, belegte eindeutig: Keine Verschärfung der Maßnahmen bedeutete, dass die Fallzahlen unverändert hoch blieben. Um wieder auf eine erträgliche 7-Tage-Inzidenz von 50 zu kommen, müssten die Infektionen aber in allen Altersgruppen um 30 Prozent reduziert werden. „Niedrige Fallzahlen zu kontrollieren ist viel einfacher als hohe“, erläuterte sie eine „alte Mechanik der Pandemie“.
Auch die Schulen sollten daher früher schließen. Als Kompromiss schlug sie vor, für die letzte Woche vor den regulären Weihnachtsferien die Schulpflicht aufzuheben und stattdessen eine Projektwoche anzubieten, bei der Lehrer, Eltern und Schüler frei entscheiden dürften, ob sie teilnehmen wollten oder zuhause bleiben.
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„Lanz“: Schulsenator kontert Leopoldina-Expertin
Ties Rabe (SPD) ließ sich von ihren Zahlenspielen nicht von seinem Kurs abbringen: „Ich werde mich nicht wegen der drei Tage verkämpfen“, entgegnete Hamburgs Schulsenator „aber ich glaube nicht, dass die Inzidenzen in Bayern oder Sachsen runtergehen, nur weil Hamburg seine Schulen drei Tage früher schließt“.
Seine Behörde habe sich „große Mühe“ gegeben zu erkunden, woher die Corona-Infektionen an den Schulen kämen. Das Ergebnis beunruhigte ihn wenig: Nur eine von fünf Ansteckungen waren ursächlich in der Schule entstanden, 80 Prozent kamen aus dem Freizeitbereich der Kinder.
Entscheidend sei für ihn daher nicht, wie hart die Regeln seien, sondern ob sie eingehalten werden: Im bayerischen Regen lag die Inzidenz bei 577, in Nordfriesland bei 19. „Deutschland ist kein Einheitsbrei“, kommentierte er und wehrte damit gleichzeitig den Vorstoß Bayerns ab, die Corona-Maßnahmen deutschlandweit einheitlich zu verschärfen.
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Söder verabschiedet sich und bleibt dennoch präsent
Da war Markus Söder, zugeschaltet aus Bayern, schon wieder weg. Aber immer noch präsent – ging es doch weiter kontrovers um die Frage, was das Beste sei, um die hohen Pandemiezahlen effektiv zu reduzieren. Gleich zu Beginn hatte Markus Lanz versucht, den bayerischen Ministerpräsidenten festzunageln, woran es lag, dass ausgerechnet im Süden der Republik die Infektionszahlen so hoch waren.
Noch mehr ging es ihm aber um die Wortwahl Söders: Musste das denn sein, ließ Markus Lanz nicht locker, dass der bayerische Ministerpräsident gleich einen „Katastrophenfall“ ausrief, stets die „härtesten“ Maßnahmen verlangte – und überhaupt, warum immer dieser Alarmismus, immer diese martialische Sprache? Das würde nur Angst machen.
„Katastrophenfall trifft genau die Dramatik der Situation“, erklärte Markus Söder, „nimmt man die Todeszahl von heute, dann stirbt alle 2,5 Minuten ein Mensch an Corona“. Das empöre und schockiere ihn. „Das ist keine politische Kür, wer was besser macht“, verteidigte er sein Vorgehen.
Der Teil-Lockdown habe bisher nur einen Teil-Erfolg gebracht. Deshalb müssten sich die Ministerpräsidentinnen und -präsidenten mit der Kanzlerin noch einmal zusammensetzen: „Wir sollten gemeinsam handeln und die Zeit über Weihnachten nutzen“, plädierte er und brachte einen „kompletten Lockdown ab 28. Dezember“ ins Spiel, durchgehend bis 10. Januar. „Dann hätten wir gute drei Wochen zur Kontaktreduktion“.

Lockdown: Geschäfte sind offen aber die Kunden bleiben weg
Für Stefan Genth, Chef des Deutschen Handelsverband, gefiel diese Perspektive gar nicht. Schließlich sei für den Einzelhandel die Zeit zwischen den Feiertagen üblicherweise die umsatzstärkste des ganzen Jahres. „Wir haben jetzt schon die paradoxe Situation, dass die Geschäfte geöffnet sind, aber die Leute nicht kommen“, erläuterte er: 60 Prozent weniger Passanten in den Fußgängerzonen, ein Umsatz-Einbruch von 40 bis 50 Prozent, durchgehend seit März.
„Das können wir dann nicht mehr aufholen“, diagnostizierte er und das verzweifelte Händeringen war ihm anzumerken: „Wir werden Anfang des Jahres viele Insolvenzen haben. Die Innenstädte werden danach anders aussehen“.
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„Ich gehe nicht in die Innenstadt, auch wenn Sie Ihre Läden auflassen – da können sie sich auf den Kopf stellen“, warf an dieser Stelle Robin Alexander unerwartet heftig ein. Bei Schulen sei das eher eine Güterabwägung: „Kinder haben keine Wahl, sie müssen hin“.
Offenbar befürwortete der stellvertretende „Welt“-Chefredakteur einen kurzen, harten Lockdown, obwohl er sich dazu ausdrücklich nicht äußerte. Dass es aber dazu kommen würde, hielt er für möglich: „Wenn die Ministerpräsidenten sich noch vor Weihnachten versammeln wie Bayern das will“, analysierte er, „dann steigt auch der mediale Druck, dass sie liefern“.
„Markus Lanz“ – So waren die letzten Folgen: