Braunschweig. Der Ombudsrat befasst sich mit dem Artikel über einen Prediger. Joachim Hempel sieht die Größe des Artikels kritisch.

Zum Artikel „Salafist will Internet zur Moschee machen“ vom 12. April erreichten unsere Redaktion mehrere Zuschriften. Ein Leser schrieb: „Ich bin schwer entsetzt wie die Zeitung einem Gegner unserer Verfassung und der Menschenrechte einen so breiten Raum zur Selbstdarstellung einräumt. Während viele Bürger sich häufig nur noch mit einem unguten Gefühl im öffentlichen Raum aufhalten möchten, wird einem Demokratie- und Freiheitsgegner bildlich und textlich mächtig Platz für seine mittelalterliche Ideologie eingeräumt. Wie im Artikel richtig ausgeführt ist, geben sie nicht eher Frieden bis der Islam weltweit die einzige richtige Religion ist.“ Der Ombudsrat nimmt die Berichterstattung hier noch einmal in den Blick.

Katrin Schiebold, Chefreporterin und Autorin des Artikels, schreibt zur Kritik: Wer über Themen wie Salafismus oder Islamismus berichtet, steht vor einem Dilemma: Ist eine Berichterstattung Werbung, weil sie den Bekanntheitsgrad etwa der umstrittenen Prediger wie Muhamed Ciftci steigert? Dessen Pläne, ein Islam-TV zu gründen, war schon Ende 2016 Thema in den Medien und hat zu Recht in der Öffentlichkeit für Wirbel gesorgt. Auch die Landesregierung hat sich damit befasst, was für uns den Anstoß gab, das Thema noch einmal aufzugreifen. Die Erkenntnisse seitens der Behörden über das Projekt waren dünn, so dass wir uns entschlossen haben, den Protagonisten selbst zu fragen – nach dem journalistischen Grundsatz: Wir lassen alle Seiten zu Wort kommen. Was plant er wirklich? Wichtig war, Ciftcis Aussagen nicht für sich stehen zu lassen, sondern einzuordnen und auf Gefahren hinzuweisen, so dass sich der Leser ein eigenes Bild machen kann. Meine Auffassung ist: Aufklärung und Information ist besser, als Probleme zu verschweigen.

Ombudsrat Joachim Hempel schreibt dazu: Ich halte dafür, dass öffentlich gemacht werden muss, was und wie da von führenden Köpfen gedacht und geredet wird. Allerdings sind die Salafisten im Umgang mit „unseren“ Medien sehr gewieft. Ob das große Porträt nicht überdimensioniert ist, möchte ich schon fragen. Ohne dessen Größe, wäre alles eine Nummer kleiner ausgefallen. Die Grundfrage bleibt: Wer informiert uns über den Islam und seine unendlich vielen Strömungen? Und wer kann das gesellschaftliche Phänomen „Radikalisierung junger Männer“ im Zusammenhang mit Kämpfen in Tschetschenien oder Syrien oder Irak oder Afghanistan erklären? Wieso gehen Menschen von Zuhause weg, um anderenorts Menschen umzubringen... – Auch Herr Ciftci kann bei aller religiösen Disponiertheit die Augen vor solcherlei Kollateralgeschichten nicht verschließen.

Ombudsrat Thomas Roth schreibt dazu: Wie groß oder klein dürfen Menschen mit extremen Auffassungen Platz finden? Diese Frage müssen sich Journalisten oft stellen. Dabei ist immer eines wichtig: die Einordnung. Diese ist hier meiner Ansicht nach erfolgt. Etwa durch das Aufzeigen von Widersprüchen: Ciftcis öffentliche Distanzierung von Gewalt und seine Nähe zum mittlerweile verbotenen „Deutschsprachigen Islamkreis Hildesheim“. Auch dass die Sicherheitsbehörden Ciftci im Blick haben, findet Platz. Der Artikel kann nicht alles klären: Die Unsicherheit über Ciftcis Absichten, über den richtigen Umgang mit dem Prediger bleibt. Obwohl ich die Einwände nachvollziehen kann, bin ich der Ansicht, dass der Artikel journalistisch sauber ist – er zeigt die Kenntnisse zu diesem Zeitpunkt auf.